2.4 Der Kulttanz zu Ehren der Göttin Hathor

von Maria Cristina VisentinZum Inhaltsverzeichnis

Hathor stand als Himmelsgöttin mit ausgeprägt mütterlichen Zügen in engem Zusammenhang mit dem Himmels- und Königsgott Horus. Sie galt auch als Göttin der Liebe, der Freude, des Tanzes und der Musik, und besonders in Theben als Totengöttin, jedoch auch als Verderben bringend.

Ursprünglich wurde sie als Kuh verehrt und dargestellt, später verschmolz sie mit der Göttin Isis und wurde als Frau mit den charakteristischen, die Sonnenscheibe umfangenden Rinderhörnern, dargestellt. Sie wurde später auch von den Griechen verehrt [14].


Hathortänze, die ursprünglich Fruchtbarkeitstänze waren, ziehen sich in verschiedenen Variationen durch alle Reiche. Die Herkunft aus der Pflanzerkultur zeigt sich vor allem in der Ausformung als Sprungtanz: je höher der Sprung des Tänzers, desto höher das Korn. In noch älteren Kulturen zeigt sich das Motiv anders: Frauen antworteten auf jedes Stampfen der Männer mit den Füßen oder einem Stab auf die Erde mit einem Schrei.

Auch der Weitschritt beim „ekstatischen Tanz“ scheint ein Motiv des Wachstums zu sein und wird in Ägypten bei Totenfeiern verwendet, aber auch von anderen Kulturen bei Ernte- und Lebenserneuerungstänzen. Er steht bei dem in seiner Aufstellung genau festgelegten Iba-Tanz im Gegensatz zum ruhigeren Schreittanz und wird heute noch in ähnlicher Ausführung bei den Niloten getanzt, wobei die erhobenen Arme Rinderhörner symbolisieren sollen. Das Rind war als ein ihr heiliges Tier ein Element des Hathorkultes [15].

Der Spiegeltanz diente dazu, der Schönheit der Göttin zu huldigen. Dabei hielten die Mädchen eine Holzklapper in Handform als Symbol für Hathors Hand sowie einen Spiegel, der ebenfalls die Göttin symbolisierte. Die Klappern wurden während des Tanzes aneinandergeschlagen und vom Stampfen der Füße und Rasseln von Tonkugeln in den Zöpfen der Mädchen begleitet; vermutlich wurde auch gesungen [16].

Bis ins Neue Reich wurden für diesen Kult nur klappernde und rasselnde Instrumente benutzt. Im Mittleren Reich wurden die simplen, bumerangförmigen Klappern durch Sistren in Handform, Elfenbeinklappern und Rasselschmuckstücke in anderen kunstvollen Formen ersetzt.

Das Menat beispielsweise war ein Kultgegenstand, von dem man annimmt, dass er Tänzerinnenschmuck oder ein weibliches Symbol war, mit dem man rhythmisch begleiten konnte. Sistren gehörten in unterschiedlichen Formen und aus Materialien wie Elfenbein, Metall und Holz bis in die Spätzeit zu den Hathor-Kultgeräten [17].

Der Ursprung des ägyptischen Sistrumspiels scheint im Fruchtbarkeitsritus und Wasserzauber zu liegen. Es war eine rhythmische Begleitung zu Gesang und Rezitation beispielsweise während eines Opferrituals. Dabei war das Spiel eine Kunst und musste, wie auch das Klatschen, als Kulttätigkeit erlernt werden. Das Sistrum verfügte nur über eine begrenzte Klangkraft, hatte aber eine erotisch-symbolische Bedeutung; später wurde es nicht mehr als Klang-, sondern als Lärmgerät benutzt [18].

Desweiteren gab es den akrobatischen Tanz zu Ehren der Hathor, aber auch anderer Gottheiten, der mindestens im Alten Reich entstand und im Mittleren Reich weiterentwickelt wurde. Dabei zeigen Tänzerinnen, von Handklatschen und Fingerschnalzen begleitet, die Biegsamkeit ihres Körpers.

Das Neue Reich verhalf diesem Tanz zu voller Entfaltung: man sieht nun oft den Überschlag vorwärts oder rückwärts in der Endphase, sodass er als akrobatische Übung der „Brücke“ ähnelt. Auch Amunpriester ließen sich ähnliche Kunststücke vorführen, wobei neben religiösen Zwecken deutlich ein unterhaltender Aspekt hervortritt [19].

Während die bisher erwähnten Hathor-Tänze allein von Frauen ausgeführt wurden, findet man im Mittleren Reich auch einen Beleg eines Doppel-Paartanzes, der wohl die Vereinigung des Sonnengottes mit der Himmelsherrin Hathor bedeutet. Laut E. Brunner-Traut verliert der Tanz bis ins Neue Reich und darüber hinaus seinen Ursprung als Fruchtbarkeitsritus nicht [20].

Nicht zu vergessen ist, dass in Ägypten Musik mit Erotik verknüpft war, wobei sich Ägypter bei der Darstellung einer zunächst diskret erscheinenden Bildsprache bedienten, die zunächst entschlüsselt werden muss. Zudem war bei ihnen der Glaube an Wiedergeburt und ein ewiges Leben sehr stark. Um diese zu erhalten, musste erneut ein Erzeugungsakt stattfinden, wozu die Anwesenheit einer körperlich-sexuellen Kraftgröße vonnöten war.

Der erotische Charakter an den Darstellungen in Grabwänden wurde in das Gewand alltäglicher Szenen, wie beispielsweise Gastmahlszenen im Hause eines hohen Beamten, gekleidet. Erst die Analyse von Details wie Lotusblumen, Süßspeisen, halbtransparenter Kleidung und Gießen von Bier und Wein entlarvt den Gedanken an Wiedergeburt und Sexualität.

Bei jeder Bankettszene gibt es Musik; sie war bei der Darbringung von Opfern von großer Bedeutung. Vermutlich war der Aspekt des Übergangs eines dinghaften Objekts, wie etwas zu essen oder ein Musiker mit Instrument, in etwas spirituelles, immaterielles wie die Ernährung im Jenseits oder Musik, wichtig. Die Darstellungen symbolisierten die Transformation. Die fortwährende Ernährung von Verstorbenen sowie von Göttern war eine Eigenschaft der Opferung [21].

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Über diese Arbeit

Dies ist Teil 2.4 der Seminararbeit Tanz in Ägypten. Ursprünge, Weiterentwicklung und Verbindungen zum heutigen Tanz von Maria Cristina Visentin.

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Fußnoten

[14] – Vgl. Isis. In Gaede, Peter Matthias (Hrsg.) (2007): GEO Themenlexikon Religionen. Mannheim: Bibliographi-sches Institut, S. 276f.; vgl. Hathor. In: Ebd., S. 231; vgl. Hathor. In: Brockhaus (Hrsg.) (1989): Brockhaus Enzyklopädie. 19. Auflage. Mannheim: F.A. Brockhaus, S. 523. Nach oben.

[15] – Vgl. Seybert-Marklowski, Eva (Havva)( 1995): Tanz im Alten Ägypten. In: TANZOriental, S. 18ff., zit. nach Hickmann, Hans (1966): Musikgeschichte in Bildern. Musik des Altertums: Ägypten. Leipzig: VEB Deutscher Verlag für Musik. Nach oben.

[16] – Vgl. Ebd. Nach oben.

[17] – Vgl. Ebd. Nach oben.

[18] – Vgl. Seybert-Marklowski, Eva (Havva)( 1995): Tanz im Alten Ägypten. In: TANZOriental, S. 18ff., zit. nach Hickmann, Hans (1966): Musikgeschichte in Bildern. Musik des Altertums: Ägypten; vgl. Manniche, Lise (1988): The Erotic Oboe in Ancient Egypt. In: The Archeology of Early Music Cultures, S. 191. Nach oben.

[19] – Brunner-Traut, Emma (1958): Der Tanz im Alten Ägypten nach bildlichen und inschriftlichen Zeugnissen. Glückstadt, Hamburg, New York: J.J. Augustin, S. 48f. Nach oben.

[20] – Vgl. Ebd., S. 41f.; vgl. Seybert-Marklowski, Eva (Havva)( 1995): Tanz im Alten Ägypten. In: TANZOriental, S. 20, zit. nach Brunner-Traut, Emma. Nach oben.

[21] – Vgl. Manniche, Lise (1988): The Erotic Oboe in Ancient Egypt. In: The Archeology of Early Music Cultures, S. 190f. Nach oben.

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