von Maria Cristina Visentin – Zum Inhaltsverzeichnis
Unter anderem Wendy Buenaventura wendet sich gegen die häufig erfolgte Ablehnung einer religiösen Herkunft des erotisch erscheinenden Bauchtanzes, auch aufgrund der umstrittenen Bedeutung des Göttinenkults in der Wissenschaft.
„In unserer sexuell verwirrten Welt ist die mögliche religiöse Bedeutung des erotischen Bauchtanzes von Forschern und Tanzhistorikern gleichermaßen ignoriert worden. Dennoch weist alles hin auf eine Verbindung zwischen mimischen Geburtsdarstellungen, frühem Schöpfungstanz und dem, was Teil der Göttinnenrituale in der prähistorischen Welt war [45]“.
Die Bewegungen des Tanzes sprächen hierbei für sich.
Als Tänzerin liegt hier bei mir vielleicht die Möglichkeit zu einem Urteil in einem Bereich, der für einen „Tanzabstinenzler“ nur aufgrund theoretischer Abhandlungen über den Tanz schwer zugänglich ist, denn dieser hat nicht das Wissen darüber, welche Muskelgruppen des Körpers beansprucht werden.
Beginnt ein ungeübter Mensch mit dem orientalischen Tanz, muss er einige davon tatsächlich erst entdecken. Hat man sich einmal intensiv mit ägyptischem Bauchtanz auseinandergesetzt, ist meiner Meinung nach eindeutig, dass der Tanz oft das weibliche Fortpflanzungszentrum in den Mittelpunkt stellt.
Ein anderer Hinweis ist natürlich die bloße Betrachtung der Tanzfiguren. In den fließenden Figuren werden alle weiblichen Körperstellen tanzend betont. Die Arme und Hände werden oft dazu genutzt, auf das Fließen der Hüfte und des Körpers noch hinzuweisen, indem sie an diesem entlangfahren und die Hüfte umrahmend gehalten werden.
Die manchmal tatsächlich frech-koketten, jedoch nie plumpen und obszönen Anspielungen auf die Weiblichkeit verleihen dem Tanz heute natürlich einen vorherrschend sinnlichen Reiz.
Vielleicht hängt dies auch mit der gesellschaftlichen Trennung der Geschlechter zusammen, sodass Frauen Tanz als Mittel genossen, ihre Weiblichkeit im Privaten unter Geschlechtsgenossinnen zum Ausdruck zu bringen. Aus Freude daran, diese sozusagen wiederzuentdecken, besuchen manche westliche Frauen einen orientalischen Tanzkurs.
Jedoch erscheint mir die Erklärung, dass der Tanz einem Fruchtbarkeitskult stammt und nach und nach als Schautanz erotisiert wurde, sehr plausibel; auch wenn man bedenkt, dass im Nahen Osten Volkstänze und –musik eine viel größere Wertschätzung erfahren, als dies beispielsweise im westlichen Europa der Fall ist.
So kann man dort noch heute ganz anders auf alte Traditionen zurückgreifen. Sicher hat der Tanz vor allem bei der Entwicklung zu einem Schautanz und durch das Kabarett eine große Veränderung erfahren.
Ich möchte auch darauf hinweisen, dass Tänze aus orientalischen Gegenden ein starkes imitatives, mimisches Element haben, das auch Gesten mit sexuellen Andeutungen, gestische Darstellung von Szenen des Alltags, Aufforderungen oder die Imitation von Tieren beinhaltet. Von daher erscheint es mir keinesfalls absurd, auch bloße Assoziationen, die die Bewegungen im Tanz hervorrufen, bei der Interpretation zu berücksichtigen.
Letztendlich hat mich bei der Erarbeitung des Themas überrascht, dass sich, was den orientalischen Tanz betrifft, obwohl seiner religiösen Bedeutung entfremdet, sich viele Gründe zu tanzen heute gar nicht einmal so sehr von denen vor Tausenden von Jahren zu unterscheiden scheinen; vielmehr scheinen sich die Anlässe geändert zu haben.
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Über diese Arbeit
Dies ist Teil 6 der Seminararbeit Tanz in Ägypten. Ursprünge, Weiterentwicklung und Verbindungen zum heutigen Tanz von Maria Cristina Visentin.
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Fußnoten
[45] – Vgl. Buonaventura, Wendy (1993): Bauchtanz. Die Schlange und die Sphinx, S. 30. Nach oben.