von Maria Cristina Visentin – Zum Inhaltsverzeichnis
Das Neue Reich gilt als das weltlichste. Der neuartige „schöne Tanz beim Gastmahl“ zeigt hübsche Mädchen, die einen wiegenden, anmutigen und engbewegten Tanz vorführen.
Brunner-Traut unterscheidet drei Arten des Gastmahls: nur beim weltlichen Bankett sind Musik und Tanz zu sehen, während das kultische Mahl weder tänzerisch noch musikalisch und das in regelmäßigen Abständen im Grab wiederholte Mahl zur Ehre des Verstorbenen nur musikalisch begleitet wird. Dabei ist es schwer, in der Darstellung einen Unterhaltungs- von einer Kultfunktion zu trennen.
Im Neuen Reich begann ein reger kultureller Austausch der Völker der Mittelmeerländer, sodass sowohl vermehrt kleinasiatische Tänzerinnen und Musiker in Ägypten erschienen, als auch Ägypter andere Gegenden bereisten, was vielleicht die Entwicklung des Tanzes beschleunigte.
Gab es zuvor nur formell streng geregelte und traditionsgebundene Gruppentänze, zeichnet sich nun die Entwicklung zu einem Solotanz mit improvisatorischen Elementen ab, bei dem die Mitwirkenden eine untergeordnete Begleitfunktion übernehmen. Zu einer gleichfalls improvisierten Melodie tanzen die Solistinnen kokett und gestisch-expressiv, ohne sich selbst zu begleiten.
Die Bewegungen sind nun biegsamer, weicher, schwingender und umfassen den ganzen Körper. Oft tragen die nackten Mädchen neben dem Hüftgürtel Stirnbänder, Ohr- und Armschmuck und den Perlenkragen.
H. Hickmann deutet um 1966 eine Grabmalerei der achtzehnten Dynastie als ersten Nachweis des heute so bezeichneten orientalischen Tanzes, der sich im Laufe der Zeit vom ursprünglichen Fruchtbarkeitsritus zum erotisch betonten Solotanz entwickelt hatte. Auf dieser sind tanzende Mädchen nackt und in realistischen Posen neben Oboenspielerinnen in Leinengewändern mit den Parfümkegeln auf der kunstvollen Frisur abgebildet. Diese Fettballen zerflossen bei zunehmender Hitze und tränkten das durchsichtige Gewand mit Duftölen.
Die Tänzerinnen begleiten sich mit Knack- oder Schnalzgeräuschen der Hände; erst später wurden hierzu die auch heute verwendeten Zimbeln aus Metall benutzt. Die Art der Darstellung zeigt die gesellschaftliche Überlegenheit der Musikerinnen in Bezug auf die Tänzerinnen. Eine erotische Bedeutung ist offensichtlich. Der beigefügte Text, der von der Fruchtbarkeit des Wassers und der jährlich stattfindenden Nilüberschwemmung handelt, bestärkt Hickmann in seiner Interpretation.
E. Brunner-Traut hatte die Verwandtschaft altägyptischer Tänze mit den auf ähnlichen Festen stattfindenden heutigen 1958 stark angezweifelt [27].
In Amarna zu Echnatons Zeit und Theben finden sich Nachweise von öffentlichen Tänzen nicht nur zu den großen religiösen Volksfesten zu Ehren zahlreicher Götter oder zum Neujahrsfest. Offenbar nutzten schon damals Ägypter gerne einen Anlass zum feiern und tanzen [28].
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Über diese Arbeit
Dies ist Teil 2.8 der Seminararbeit Tanz in Ägypten. Ursprünge, Weiterentwicklung und Verbindungen zum heutigen Tanz von Maria Cristina Visentin.
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Fußnoten
[27] – Vgl. Ebd, S.24, zit. nach Hickmann, Hans (1966): Musikgeschichte in Bildern. Musik des Altertums: Ägypten; vgl. Brunner-Traut, Emma (1958): Der Tanz im Alten Ägypten nach bildlichen und inschriftlichen Zeugnissen, S. 47, 61f., 65, 68; vgl. Buonaventura, Wendy (1993): Bauchtanz. Die Schlange und die Sphinx, S. 126f. Nach oben.
[28] – Vgl. Seybert-Marklowski, Eva (Havva)( 1995): Tanz im Alten Ägypten. In: TANZOriental, S. 24, zit. nach Hickmann, Hans (1966): Musikgeschichte in Bildern. Musik des Altertums: Ägypten; vgl. Brunner-Traut, Emma (1958): Der Tanz im Alten Ägypten nach bildlichen und inschriftlichen Zeugnissen, S. 68ff. Nach oben.